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Nicht nur der Mensch - Marmor, Stein, Eisen: bricht.
Kein Tempel, keine Kirche, keine Burg ist vor dem Verfall sicher. Alles ist vergänglich. Alles ist unausweichlich den Witterungsprozessen der Zeit ausgeliefert.
Wort und Buchstabe, Text und Erzählung jedoch können die Ruinen unserer Zivilisation überdauern. Ihrer Wirkkraft sind über Menschenalter hinweg kaum Grenzen gesetzt. Homers Epen haben die Geschichten und Einsichten der vorschriftlichen "oral poetry" über die Jahrhunderte transportiert, kein Buchstabe ging verloren. Die Macht der Erzählung und der Geschichten ist beständiger als alle Bauten. Mit Sprache erschließen wir uns die Welt und benennen die Dinge.
Das Leben zeichnen, bios graphein heißt, sich mit Worten und Bildern ein Vehikel zu bauen, um anderen zu begegnen, anderen Welten sich zu nähern. Teilhabe an Entdeckungen und Austausch von Weisheit - Sprache ist unsere Brücke zu anderen Zeiten und Chance zum Verstehen des Gegenübers. Texte bedeuten mehr als bloße Kopie der Wirklichkeit. Sie erlauben die Bewahrung des Geschehenen, aber sind gleichzeitig neu Geschaffenes, ein Konstrukt desselben - Kondensate der erlebten Wirklichkeit. Wenn ein Mensch stirbt, dann ist es, als verbrenne eine Bibliothek. Die Vernetzung von Erinnerungen und Lebensbeschreibungen im Internet befähigt uns - Leben nachzeichnend - zur digitalen Spurensicherung. Im World Wide Web können wir Homer nacheifern.
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© EM Kuhn
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